Europäischer Biotopverbund Natura 2000

Vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen

Die europäische Fauna-Flora-Habitat Richtlinie und die Vogelschutz-Richtlinie verpflichten auch den Freistaat Bayern zur Auswahl und Meldung von Gebieten als Teil eines europäischen Biotopverbundsystems "Natura 2000". Da die EU-Kommission die von Bayern bisher gemeldeten Gebiete - mit einer Ausnahme sind alle Gebiete bereits bestehende Naturschutzgebiete - als nicht ausreichend ansieht, müssen weitere Gebiete nachgemeldet werden. Das StMLU bereitet derzeit die Auswahl der Gebiete vor. Dies erweist sich als äußerst schwierig und zeitaufwendig, weil neben der räumlichen Erfassung der Gebiete diese kartographisch aufbereitet und mit einer verständlichen Legende versehen werden müssen. Auf der anderen Seite drängen die Bundesregierung und die EU-Kommission auf eine schnelle Meldung. Die EU-Kommission hat inzwischen sogar Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, weil sie die Umsetzung dieser europäischen Richtlinie in der Bundesrepublik Deutschland als unzureichend ansieht. Zugleich hat sie auch mit der Verweigerung der Freigabe von Strukturfördermitteln gedroht, solange die ausstehenden Gebietsmeldungen nicht vorliegen.
Die EU-Richtlinien sehen eine Anhörung und Beteiligung der Öffentlichkeit nicht vor. Für die Staatsregierung ist es allerdings selbstverständlich, daß die Öffentlichkeit eingehend informiert und in einem eigenen Dialogverfahren beteiligt wird. Damit sollen für die abschließende Beurteilung der Staatsregierung alle notwendigen Informationen, Anregungen und Einwendungen von den Beteiligten, Grundeigentümern und -nutzern, den Kommunen und Verbänden eingeholt werden.
Die bayerische Staatsregierung wird dazu die Karten mit den Gebietsvorschlägen, auf Wunsch auch auf CD-ROM, zur Information bereitstellen. Die Verbände werden über eine ausreichende Zeit für eine Äußerung verfügen.
Die Gebietsauswahl erfolgt anhand der in den Richtlinien genannten Lebensraumtypen, Tier- und Pflanzenarten. Aufgabe ist, ein zusammenhängendes Netz (Kohärenz) von europäischer Bedeutung (Repräsentanz) zu schaffen, das für Bayern signifikant ist.
Bei der Auswahl der Gebietsvorschläge soll auch berücksichtigt werden, daß bedeutende Infrastrukturmaßnahmen nicht berührt und die gemeindliche Siedlungsentwicklung nicht gehindert werden, die Rohstoffversorgung gemäß den Vorranggebieten der Regionalplanung gesichert bleibt und Industrieanlagen nicht eingeschränkt werden. Ziel ist, die Land- und Forstwirtschaft im bisherigen Umfang weiter betreiben zu können und Privateigentum nur im unumgänglichen Umfang zu berühren.
Nach Meldung und Einstellung in das Netz "Natura 2000" ist sechs -Jahre Zeit für die Feststellung des geeigneten Schutzes. Zuständig dafür sind die bayerischen Behörden. Dabei soll jeweils das mildeste Mittel gewählt werden, d. h. z. B. Vertragsnaturschutz geht der Ausweisung von Schutzgebieten vor. Wir setzen auf das Einvernehmen mit den Betroffenen und werden nur ausnahmsweise auf administrative Maßnahmen zurückgreifen. Für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft besteht nach Art. 36 a BayNatschG ein Rechtsanspruch auf Entschädigung, wenn - ausnahmsweise - eine Einschränkung erfolgt.
Ein letzter Hinweis: Durch die abschließende Gebietsfestlegung wollen wir Rechtssicherheit auch für private Investitionen schaffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG müssen die Schutzvorschriften der FFH-Richtlinie bereits heute eingehalten werden, ohne daß die förmliche Festlegung abgewartet werden muß, wenn bestimmte Gebiete FFH-Charakter haben. Diese Unsicherheit wird mit der Meldung beseitigt.

Was ist das Ziel der Vogelschutz-Richtlinie?

Ziel der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten - kurz: Vogelschutz-Richtlinie - ist es, alle wildlebenden Vogelarten und ihre Lebensräume in Europa langfristig zu schützen und zu erhalten. Für 181 Vogelarten, die aufgrund ihres geringen Bestands beziehungsweise ihrer begrenzten Verbreitung bedroht sind, müssen die Mitgliedstaaten der EU die am besten geeigneten Gebiete als besondere Schutzgebiete ausweisen.
Das gilt darüber hinaus für alle Zugvogelarten und deren Brut-, Mauser-, Überwinterungs- und Rastgebiete bei ihrer Wanderung. Dem Schutz der international bedeutsamen Feuchtgebiete nach dem internationalen Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten (Ramsar-Konvention) ist dabei besondere Bedeutung beizumessen.

Was ist das Ziel der FFH-Richtlinie?

Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - kurz: FFH-Richtlinie - will das Europäische Biotopverbundnetz "NATURA 2000" mit einer repräsentativen Auswahl aller Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse zum Schutz der biologischen Vielfalt in Europa aufbauen. Dem hegt die Überlegung zugrunde, daß mit dem Schutz einzelner, isolierter, nicht verpetzter Gebiete allein die biologische Vielfalt auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. Viele Tier- und Pflanzenarten sind nicht nur vom intakten Zustand einzelner Lebensräume abhängig; sie bedürfen zu ihrem Überleben einer Vielzahl solcher Gebiete. Diese müssen zudem so beieinander liegen, daß sie durch linienförmige Landschaftselemente wie Fließgewässer, Hecken, Böschungen, Waldsäume verbunden sind und so den notwendigen Genaustausch innerhalb der einzelnen Arten ermöglichen.
In ihren Anhängen listet die FFH-Richtlinie die rund 400 Tier- und zirka 360 Pflanzenarten auf, die in der EU in ihrem Bestand bedroht sind und dementsprechend besonders geschützt werden sollen. Darüber hinaus enthält die Richtlinie eine Liste von zirka 250 speziellen Lebensraumtypen, die ebenfalls gesichert werden sollen. Vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten sowie besonders gefährdete Lebensräume sind als prioritär gekennzeichnet und genießen verstärkten Schutz.

Sind FFH- und Vogelschutz-Richtlinien auch für Bayern verbindlich?

Ja. Mit diesen beiden Richtlinien, der Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, abgekürzt Fauna, Flora, Habitat- (FFH-)Richtlinie und der Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie) hat die Europäische Union (EU) verbindliches europäisches Naturschutzrecht erlassen. Alle Mitgliedstaaten müssen sich daran halten und die für das angestrebte zusammenhängende ökologische Netz "NATU-RA 2000" in Betracht kommenden Gebiete melden. Andernfalls drohen Zwangsgelder bis zu 1,5 Mio. DM pro Tag und Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von Fördermitteln. Zur Umsetzung der Richtlinien auch in Bayern gibt es deshalb keine Alternative.

Wie hängen FFH-Richtlinie und Vogelschutz-Richtlinie zusammen?

Die bereits vor 20 Jahren erlassene Vogelschutz-Richtlinie gilt selbständig neben der FFH-Richtlinie fort. So ergibt sich die Verpflichtung zur Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten nach wie vor aus der Vogelschutz-Richtlinie. Das nach der FFH-Richtlinie zu schaffende Europäische Biotopverbundnetz " NATURA 2000" wird aber aus FFH- und EU-Vogelschutzgebieten gemeinsam gebildet. Insofern gelten auch für die EU-Vogelschutzgebiete die besonderen Schutzbestimmungen der FFH-Richtlinie (Erhaltungsmaßnahmen, Verschlechterungsverbot, Verträglichkeitsprüfung).

Warum ist es wichtig, die biologische Vielfalt zu erhalten?

Die Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen, die 1992 in Rio de Janeiro stattgefunden hat, hat den Schutz der biologischen Vielfalt als weltweit wichtiges Ziel für das 21. Jahrhundert formuliert. Für viele Bereiche des Lebens ist die Bewahrung der biologischen Vielfalt, nämlich der Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen, der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten sowie der Vielfalt der Lebensräume, wesentlich und deshalb kein überflüssiger Luxus.
Die biologische Vielfalt ist Bestandteil unserer natürlichen Lebensgrundlagen, für die Sicherung der Ernährung der ständig anwachsenden Weltbevölkerung unverzichtbar und darüber hinaus in der pharmazeutischen Nutzung sehr wichtig. Auch für unser Wohlbefinden hat die biologische Vielfalt einen hohen Stellenwert, denn die Eigenart und Schönheit der Natur bietet dem Menschen unersetzliche Erlebnisvielfalt. Es besteht auch eine selbstverständliche Verpflichtung, die biologische Vielfalt für unsere Nachkommen zu erhalten. Schließlich gehört es zu den ethischen Handlungsprinzipien des Menschen, die Schöpfung zu bewahren und sie um ihrer selbst willen zu schützen.

Wie kommt Bayern zu einer Gebietsauswahl?

Die bayerischen Naturschutzbehörden hatten zunächst zu prüfen, welche Lebensraumtypen nach dem Katalog des Anhangs I der FFH-Richtlinie, o welche Tier- und Pflanzenarten nach dem Katalog des Anhangs II der FFH-Richtlinie sowie welche Lebensräume von Vogelarten nach dem Katalog des Anhangs I der Vogelschutz-Richtlinie in Bayern vorhanden sind und ob unabhängig von Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie weitere Vermehrungs-, Mauser-, Überwinterungs- und Rastplätze von regelmäßig hier auftretenden Zugvogelarten vorhanden sind, für die Schutzmaßnahmen erforderlich sind. In Bayern kommen 55 Lebensraumtypen und 77 Arten der FFH-Richtlinie vor. Unter Berücksichtigung der für das Bundesgebiet einheitlichen Vorgaben des Bundesamtes für Naturschutz sowie der Erkenntnisse aus der Arten- und Biotopkartierung, aus Fachgutachten und sonstigen Unterlagen wurde dementsprechend eine fachliche Gebietsauswahl getroffen. Für die Auswahl waren insbesondere folgende Kriterien maßgebend:
Bevorzugt wurden außerdem Gebiete erfasst ,

Welche Lebensräume sowie Tier- und Pflanzenarten fallen in Bayern unter die Richtlinien?

Folgende, in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie genannten Vogelarten kommen beispielsweise auch in Bayern vor: Schwarzstorch, Weißstorch, Wespenbussard, Rotmilan, Rohrweihe, Wiesenweihe, Wanderfalke, Uhu, Eisvogel, Blaukehlchen, Haselhuhn, Wachtelkönig, Fluß-Seeschwalbe, Ziegenmelker, Mittelspecht, Ortolan, Weißrückenspecht, Dreizehenspecht, Birkhuhn, Auerhuhn, Steinadler, Heidelerche, Halsbandschnäpper.
Von den Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie kommen in Bayern z. B. Sandmagerrasen, Kalk-Trockenrasen, alpine Flüsse, Hochmoore, Kalktuff-Quellen, Höhlen, Kalk-Buchenwälder, Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder und bodensaure Nadelwälder vor.
Von den Tieren und Pflanzen nach Anhang II der FFH-Richtlinie, deren Lebensräume zu schützen sind, kommen in Bayern vor z. B. Mausohr, Große und Kleine Hufeisennase. Biber, Kammolch, Donauneunauge, Bitterling, Alpenbock, Skabiosen-Scheckenfalter, Hirschkäfer. Schwarz-blauer Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Große Moosjungfer, Schmale Windelschnecke, Flußperlmuschel, Bayerisches Federgras, Finger-Küchenschelle und Sumpf-Glanzkraut.

Wie geht es in Bayern jetzt mit der Gebietsauswahl weiter?

Weder europäisches noch nationales Recht sehen ein Anhör- oder Beteiligungsverfahren bei der Ermittlung der FFH-Gebiete vor. Für die Bayerische Staatsregierung ist es jedoch ganz selbstverständlich, vor der Weitergabe der Gebietsliste an die EU-Kommission die bayerische Öffentlichkeit und insbesondere die im einzelnen Betroffenen umfassend zu informieren und mit ihnen einen Dialog zu führen.
Die europarechtlichen Vorgaben belassen dem Land zwar nur sehr eingeschränkte Spielräume. Umso wichtiger ist es nach Überzeugung der Staatsregierung, daß der bayerische Beitrag zu "NATURA 2000" möglichst breite Zustimmung erhält. Bayerns besondere Verantwortung für die Erhaltung des europäischen Naturerbes beruht auf all den Naturtypen und -Schönheiten, die den besonderen Reiz des Landes und seine Vielfalt ausmachen, auf den Mooren im Alpenvorland, auf den als Verbundachsen überregional bedeutsamen Flußläufen, auf artenreichen Feuchtgebieten und Trockenstandorten, bestimmten Waldtypen sowie Habitaten für besonders gefährdete Arten wie die Fledermäuse. Diesen Reichtum künftigen Generationen als lebens- und liebenswerte Heimat zu bewahren, liegt nicht nur im europäischen, sondern auch im bayerischen Interesse.

Wie sieht der Fahrplan für den Aufbau des Europäischen Biotopverbundnetzes "NATURA 2000" aus?

Folgender Fahrplan ist vorgesehen:
Für die von der EU-Kommission als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und damit als "NATURA 2000"-Flächen bestimmten Gebiete sind nach der Richtlinie innerhalb von sechs Jahren die erforderlichen Schutzmaßnahmen durchzuführen. Dafür ist der Freistaat Bayern zuständig. Er hat dabei nach den jeweils geltenden Verfahrensvorschriften und unter Anwendung aller in Betracht kommenden Instrumente - von hoheitlichen über planerische bis hin zu vertraglichen - zu entscheiden. Für die FFH-Gebiete gilt nach der Richtlinie ein Erhaltungsgebot sowie ein Verschlechterungsverbot. Die Naturschutzbehörden wollen diesen Vorgaben mit folgender Vorgehensweise entsprechen:
Auf Gebiete, die in ihrem jetzigen - meldewürdigen - Zustand erhalten und nicht verändert werden, hat die FFH-Meldung keine unmittelbaren Auswirkungen, d. h. die bisherige Nutzung ist weiterhin möglich. Das ist insbesondere für Flächen der Land- und Forstwirtschaft von Bedeutung, deren bisherige Nutzung gerade zu dem erhaltungswürdigen Zustand geführt hat. Es gilt allerdings ein Verschlechterungsverbot.
Bei Flächen im Staatseigentum gewährleistet die Vorbildfunktion des Staates die Erhaltung des Zustands. Weitere Schutzmaßnahmen sind nicht veranlaßt.
Naturschutzgebiete oder unmittelbar durch das Bayerische Naturschutzgesetz geschützte Biotope - sog. "13d-Flächen" -sind rechtlich so abgesichert, daß keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind.
Keiner weiteren Maßnahmen bedarf es auch für Gebiete, die schon jetzt oder künftig durch Einsatz des Vertragsnaturschutzprogramms in einer der fachlichen Zielsetzung entsprechenden Form genutzt werden.
Für Gebiete, die wegen möglicher Gefährdungen Erhaltungs- beziehungsweise Schutzmaßnahmen erfordern, sollen etwa notwendige. Einschränkungen so gering wie möglich gehalten und es sollen möglichst kooperative Lösungen angestrebt werden. Grundsätzlich kommt dabei die ganze Bandbreite der verfügbaren Instrumente in Betracht. Das können Maßnahmen vertraglicher Art (z. B. Abschlüsse von Bewirtschaftungsverträgen mit der Land- und Forstwirtschaft), planerische Festlegungen (z. B. Vorrangflächen in der Regionalplanung), rechtliche Schritte in Form von Schutzgebietsausweisungen oder administrative Maßnahmen (besondere Förderprogramme für Schutzgebiete durch Landerwerb oder praktische Maßnahmen des Naturschutzes wie Renaturierung, Anlage verbesserter Habitat-Strukturen) sein.
Unter den im Einzelfall möglichen Instrumenten soll die den betroffenen Eigentümer am wenigsten belastende Maßnahme ergriffen werden. Wo immer es möglich ist, sollen einvernehmliche Regelungen angestrebt werden.

Was ist unter dem Verschlechterungsverbot zu verstehen?

Beide Richtlinien sind darauf ausgerichtet, daß in den von ihnen erfaßten Gebieten der derzeitige Zustand erhalten bleibt. So bleibt beispielsweise die bisherige landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder fischereiliche Nutzung weiterhin möglich. Soweit sich eine Änderung der Nutzung nicht erheblich nachteilig auf das Ziel auswirkt, den Lebensraum mit seinen charakteristischen Arten zu erhalten, ist sie auch künftig zulässig. Verbindliche Planungen und Vorhaben mit Bestandsschutz bleiben unberührt.

Wie sehen die sogenannten Erhaltungsmaßnahmen aus?

Den Mitgliedstaaten ist in der FFH-Richt-linie auch auferlegt, die nötigen Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung der FFH-Gebiete festzulegen. Zu deren Umsetzung eignen sich insbesondere vertragliche Vereinbarungen mit den betroffenen Landnutzern.

Was ändert sich durch die Ausweisung eines Gebietes als "NATURA 2000"-Gebiet?

Von ihrer Zielsetzung her verfolgt die FFH-Richtlinie das Prinzip der Nachhaltigkeit. D. h.: Wirtschaftliche Entwicklung, soziale Gerechtigkeit und Ökologie sollen miteinander in Einklang stehen, statt sich gegenseitig zu behindern. So sind in "NATURA 2000"-Gebieten menschliche Aktivitäten keineswegs verboten. Sichergestellt werden soll vielmehr, daß die Naturschutzinteressen gewahrt bleiben. Entscheidend ist dabei, welches Schutzziel mit dem jeweiligen Gebiet verfolgt wird. Steht eine Aktivität diesem Ziel nicht entgegen, kann sie durchgeführt werden.
Bestehende Nutzungen können im allgemeinen fortgeführt werden, vorausgesetzt, daß sich ihre Intensität nicht ändert und der Schutzzweck des betreffenden Gebietes dadurch nicht in Frage gestellt wird.
In den Fällen, in denen in einem Gebiet erst durch menschliche Aktivitäten eine hohe biologische Vielfalt entstanden ist (z. B. durch besondere Formen extensiver Landwirtschaft), sollen die Mitgliedstaaten sogar darauf hinwirken, daß diese Aktivitäten im Interesse der entstandenen biologischen Vielfalt weitergeführt werden.

Ist in den FFH-Gebieten jede Änderung von Nutzungen verboten?

Nein. Auch der EU ist klar, daß es in der vielfältigen Kulturlandschaft Europas immer wieder Veränderungen geben kann und muß. Es wird in den Schutzgebieten und um sie herum auch künftig gemeindliche und städtebauliche Entwicklungen, neue Umgehungsstraßen oder großräumige Verkehrswege wie Bahnlinien geben.

Auch die Land- und Forstwirtschaft hat einen strukturellen Anpassungsbedarf, der sich auf die Schutzgebiete auswirken kann. Der Richtlinie geht es darum, diese Entwicklung naturverträglich zu steuern.
Sie hat dafür ein eigenes Instrument entwickelt: die Verträglichkeitsprüfung. Pläne und Projekte, die keinen Bestandsschutz genießen, sind deshalb einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen, (teuer!)

Wie funktioniert die Verträglichkeitsprüfung?

Mit der Verträglichkeitsprüfung soll festgestellt werden, ob von dem Vorhaben erhebliche negative Auswirkungen auf die Erhaltungsziele im Gebiet ausgehen. Geklärt wird außerdem, ob die zur Erreichung des Erhaltungsziels für das Gebiet erforderlichen Entwicklungs- und Optimierungsmaßnahmen behindert oder unmöglich gemacht werden. Die Prüfung wird im Rahmen ohnehin fälliger anderer Prüfungsschritte mit erledigt und erfordert damit in der Regel kein zusätzliches Verfahren. Nicht jede Nutzungsänderung ist so folgenschwer, daß sie zu erheblichen Beeinträchtigungen führen würde.
Eine Beeinträchtigung kann außer Betracht bleiben, wenn das mit der Einbindung in das Netz "NATURA 2000" verfolgte Erhaltungsziel nur unerheblich beeinträchtigt wird.
Die FFH- Verträglichkeitsprüfung ist, anders als die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG), gebietsspezifisch. Sie hat damit zwangsläufig einen (eingeschränkten) Prüfungsmaßstab, der sich nur auf den jeweils konkreten Lebensraum beziehungsweise die dort vorhandenen Arten bezieht.

Was geschieht, wenn die Verträglichkeitsprüfung erhebliche Beeinträchtigungen als Folge eines Vorhabens ergibt?

In diesem Fall ist das Vorhaben zunächst unzulässig. Es darf dennoch zugelassen und durchgeführt werden,
Sofern ein Vorhaben aus diesen Gründen zugelassen wird, können Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden, die den Schutzzweck von "NATURA 2000" insgesamt sichern.
Bei Gebieten mit besonders gefährdeten (d. h. prioritären) Lebensräumen und Arten ist in bestimmten Fällen vor der Zulassung die EU-Kommission zu beteiligen.

Was gilt für Störungen, die von außen auf das Gebiet einwirken?

Für alle FFH- und EU- Vogelschutzgebiete gilt: Es werden nicht nur Projekte und Pläne innerhalb des Schutzgebietes auf ihre Naturverträglichkeit geprüft, sondern auch solche, die von außen auf das Gebiet erheblich einwirken. Dieser sprachlich etwas verunglückt als"Umgebungsschutz" bezeichnete Begriff des Schutzes vor der Umgebung ist im Naturschutzrecht nicht neu. Erheblich störende Aktivitäten außerhalb eines Naturschutzgebietes mit Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen im Schutzgebiet konnten schon bisher untersagt werden.
In der Praxis wird der "Umgebungsschutz" in seiner Tragweite meist überschätzt. Befürchtungen, daß dadurch jede wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld eines Schutzgebietes blockiert werden könnte, sind nicht begründet. Was immissionsschutzrechtlich zulässig ist, wird im übrigen in der Regel nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Im übrigen sollte es unschwer möglich sein, durch eine Umsetzung mit Augenmaß bei der Planung und der Genehmigung im Einzelfall zu Lösungen zu kommen, die allen Belangen Rechnung tragen.

Wie sind die Gemeinden von der Umsetzung der Richtlinien betroffen?

Bestehende Planungen aufgrund eines rechtskräftigen Bebauungsplanes haben Bestandsschutz. Das ist wichtig im Hinblick auf den sog. Umgebungsschutz. Die konkrete Baugenehmigung, die aus einem Bebauungsplan in der unmittelbaren Nachbarschaft zu einem FFH-Gebiet abgeleitet wird, bedarf keiner gesonderten neuen Prüfung im Baugenehmigungsverfahren.
Zukünftige Pläne, also der Flächennutzungs- und der Bebauungsplan, müssen Rücksicht darauf nehmen, ob die geplante gemeindliche Entwicklung des europäischen Schutzgebietssystem "NATURA 2000" ausreichend berücksichtigt. Umweltstandards waren in der Bauleitplanung schon bisher zu beachten. Die Gemeinden entscheiden darüber im Rahmen ihrer Planungshoheit.
Nicht zuletzt deshalb gilt das Angebot zum offenen Dialog auch für die Gemeinden: Der Schutz des europäischen Naturerbes ist nur dann auf Dauer gesichert, wenn möglichst viele ihn zu ihrem eigenen Anliegen machen. Jede nachhaltige Entwicklung hat aber nicht nur ihre ökologische, sondern auch ihre ökonomische und soziale Seite. Vom Willen zum Konsens und zum Mitmachen getragene Lösungen insbesondere bei der Grenzziehung, die keinen Substanzverlust für das europäische Netz bedeuten, wird die Staatsregierung aufgeschlossen prüfen.

Gibt es einen Ausgleich für Nutzungseinschränkungen in FFH-Gebieten?

Unterstützung für die FFH-Richtlinie ist auf Dauer nur erreichbar, wenn die Nutzer der betroffenen Flächen, insbesondere die Land- und Forstwirtschaft, als Partner des Naturschutzes für eine naturschutzgerechte Bewirtschaftung gewonnen werden können. Deshalb hat die EU finanzielle Fördermöglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe eröffnet, die durch eine den Naturschutzzielen angepaßte Wirtschaftsweise zum ökologischen Wert auch von FFH-Gebieten beitragen. Landwirte können durch Zahlungen zum Ausgleich von Kosten und Einkommensverlusten unterstützt werden, die sich in Gebieten mit umweltspezifischen Einschränkungen aufgrund von Naturschutzrecht der EU ergeben. Solche Einschränkungen können z. B. Folge der Umsetzung der FFH-Richtlinie sein. Nach bayerischem Recht haben Landwirte sogar einen Rechtsanspruch auf Ausgleich von wirtschaftlichen Nachteilen unterhalb der Enteignungsschwelle.
Schon jetzt werden Fördermittel aus dem LIFE-Programm der EU nur noch für Gebiete gewährt, die zum Netz "NATURA 2000" gehören. Bayern hat in der Vergangenheit bereits mehrere Naturschutzprojekte in "NATURA 2000"-Gebieten mit Hilfe der EU-Förderung durchführen können. Insofern bedeutet das Europäische Biotopverbundnetz auch eine finanzielle Hilfe aus Brüssel.
Für grundsätzliche Fragen steht das FFH-Infotelefon (0 89) 92 14-31 13 des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen zur Verfügung; weiteres auch im Internet unter www.bayern.de/stmla.

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